Häufig begegnet man noch der etwas altbackenen Meinung, für Muskelaufbau wären zwangsläufig große Mengen Kohlenhydrate nötig. Unter dem Licht der aktuellen Wissenslage muss man das mittlerweile aber differenzierter betrachten. Wahrscheinlich trainierst du nicht, um am Ende auszusehen wie das Michelin-Männchen. Wenn es darum geht, fettfreie Muskelmasse aufzubauen, hat Low Carb als Ernährungsstrategie ganz klar die Nase vorn. In diesem Artikel erfährst du, wie und warum eine Low Carb-Ernährung mit intelligentem Kohlenhydrat-Timing dich optimal voran bringt.

 

Die Grundvoraussetzung für Muskelaufbau

Unabhängig davon, welche Art von Ernährung du praktizierst gilt: Grundvoraussetzung für effektiven Muskelaufbau ist ein Kalorienüberschuss. Für fettfreien Muskelaufbau haben sich bei den meisten Athleten 200-400 kcal über Tagesbedarf bewährt. Jedwede Ernährungsform kann nur dann Erfolg bringen, wenn diese Voraussetzung gegeben ist. Der Kalorienüberschuss allein sagt aber noch lange nichts darüber aus, wieviel von der aufgebauten Masse tatsächlich aus Muskelmasse besteht.

Sowohl Muskelgewebe, als auch Fettgewebe bestehen im Grunde genommen aus gespeicherter Nahrungsenergie. Je nach Bedarf kann der Körper Energieträger wie Kohlenhydrate, Fett oder Eiweiß entweder in Körpermasse umwandeln um Energie zu speichern, oder aber Körpermasse abbauen, um gespeicherte Energie für Stoffwechselprozesse freizusetzen. Deine Energiebilanz – also das Verhältnis zwischen Kalorienzufuhr und Kalorienverbrauch – bestimmt, wieviel Masse der Körper auf- oder abbaut. Woraus diese auf- oder abgebaute Körpermasse zu welchem Anteil besteht, wird durch die Parameter Nahrungszusammensetzung und Training bestimmt.

Eine Eiweiß-Fett-betonte Low Carb Ernährung wird deine Körperkomposition immer in Richtung Muskelmasse verschieben, egal ob du gerade definieren oder Muskeln aufbauen willst. Im Vergleich dazu wird eine „normale“ kohlenhydratbetonte Ernährung bei gleichem Training und gleicher Kalorienzufuhr deine Körperzusammensetzung etwas weiter in Richtung Fettmasse verschieben.

 

Warum Kohlenhydrate deinen Zielen im Wege stehen

Der Grund dafür liegt in der Art, wie unser Körper mit Kohlenhydraten umgeht. Kohlenhydrate führen zu einem Anstieg des Blutzuckerspiegels. Der Körper versucht aber, den Blutzuckerspiegel möglichst auf einem konstanten Niveau zu halten. Gelangen mehr Kohlenhydrate ins Blut, als momentan durch den Energiestoffwechsel verbraucht werden (was nach einer kohlenhydratbetonten Mahlzeit fast immer der Fall ist), werden die überschüssigen Kohlenhydrate aus der Blutbahn entfernt, indem sie in die Energiespeicher des Körpers gepackt werden.

In begrenztem Maße können Kohlenhydrate in den Muskeln und der Leber gespeichert werden. Hier stehen sie später als direkte Energiequelle für intensive Muskelanstrengungen zur Verfügung. Diese Speicher sind bei kohlenhydratbetonter Kost jedoch schnell gefüllt. Alles, was darüber hinausgeht, kann dann nur noch in Speicherfett umgewandelt und für schlechte Zeiten in den Fettzellen deponiert werden.

Parallel dazu hemmen Kohlenhydrate die Fettverbrennung. Solange der Blutzuckerspiegel erhöht ist, besteht Energieüberschuss und im Körper stehen alle Weichen auf Energieeinlagerung.

Ernährst du dich kohlenhydratreich, zwingst du deinen Körper dazu, einen Teil der Kalorien für den Aufbau von Fettmasse zu verwenden.

Günstiger wirken sich dagegen die Nährstoffe Eiweiß und Fett aus. Sie lassen den Blutzuckerspiegel nicht ansteigen und führen damit nicht zu diesen massiven Energieüberschüssen, die eine Fetteinlagerung auslösen. Fett aus der Nahrung wird nur dann in den Fettzellen eingelagert, wenn entweder gleichzeitig schnelle und/oder viele Kohlenhydrate verzehrt werden (wir erinnern uns: diese stoppen den Fettabbau) oder insgesamt viel zu viele Kalorien gegessen werden.

Hast du dir ersteinmal eine Speckschicht angefuttert, stehst du vor der Wahl, diese entweder zu akzeptieren, oder – wenn du möchtest, dass deine Muskeln voll zur Geltung kommen – die Speckschicht wieder runterzudiäten. Während einer Diät lässt sich jedoch ein gewisser Muskelmasseverlust kaum vermeiden.

Kohlenhydratreiche Ernährung in der Aufbauphase zwingt dich dazu, von Zeit zu Zeit Diätphasen einzuplanen.

 

Warum Kohlenhydrate dem Muskelaufbau trotzdem nützen

Nichtsdestotrotz haben Kohlenhydrate auch positive Eigenschaften für den Sportler. Sie liefern schnell verfügbare Energie für hohe Kraftanstrengungen. Beim Muskelaufbau Training bist du mehr oder weniger auf Energie aus Kohlenhydraten angewiesen. Sind die Kohlenhydratspeicher deiner Muskeln leer, wird sich das negativ auf deine Kraftwerte auswirken. Wenn du weniger Gewicht bewältigst, ist natürlich auch das Training weniger effektiv.

Außerdem hat gerade die negativste Eigenschaft der Kohlenhydrate auch eine positive Kehrseite: Für die oben beschriebenen negativen Effekte der Kohlenhydrate ist das Bauchspeicheldrüsenhormon Insulin verantwortlich. Dieses wird bei ansteigendem Blutzuckerspiegel ausgeschüttet. Das Insulin schleust aber nicht nur das Fett in die Fettzellen, sondern auch die Aminosäuren (Eiweißbestandteile) in die Muskelzellen. Dort stehen sie dann vermehrt für den Aufbau von Muskelmasse zur Verfügung. Aminosäuren können zwar auch ohne Insulin in die Muskelzellen gelangen, aber das Insulin gibt dem ganzen nochmal einen zusätzlichen Boost.

In den Stunden nach dem Training sind die Muskelzellen besonders empfänglich für Insulin. Durch den starken Aminosäuren-Zustrom wird zusätzlich das Muskelwachstum forciert. Die Regeneration kann optimal anlaufen. Kohlenhydrate, die direkt nach dem Training verzehrt werden, wandern nicht in die Fettzellen, sondern füllen die Kohlenhydratspeicher deiner Muskulatur rasch wieder auf, sodass dir beim nächsten Training wieder volle Power zur Verfügung steht. Nach dem Training überwiegt die muskelaufbauende Wirkung der Kohlenhydrate.

Auch vor dem Training verzehrt, bringen Kohlenhydrate einen großen Vorteil mit sich: Bei intensiven Anstrengungen wird der Körper nämlich immer auch ein wenig Muskeleiweiß verbrennen. Ganz lässt sich das nicht verhindern. Vor dem Training verzehrte Kohlenhydrate sorgen jedoch dafür, dass du während des Trainings weniger Muskeleiweiß abbaust. Auch die nach dem training verzehrten Kohlenhydrate sind in diesem Zusammenhang wichtig: Durch den vermehrten Einstrom an Aminosäuren stoppen sie sofort die katabole (also Masseabbauende) Phase, in die die Muskulatur im Laufe des Trainings geraten ist.

Kohlenhydrate haben – zum richtigen Zeitpunkt zugeführt – auch einen aufbauenden Effekt auf die Muskulatur. Eine Ernährung ganz ohne Kohlenhydrate wäre demnach auch nicht optimal.

 

Mit einer optimierten Low Carb Ernährung den goldenen Mittelweg gehen

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Am sinnvollsten für fettfreien Muskelaufbau wäre es also, wenn sich die positiven Eigenschaften der Kohlenhydrate nutzen, die negativen aber ausschalten ließen. Mit einer clever angelegten Low Carb Ernährung, ist genau das möglich. Low Carb muss nicht bedeuten, dass du auf Kohlenhydrate komplett verzichtest. Es bedeutet lediglich, dass du insgesamt geringe bis moderate Mengen davon zu dir nimmst.

Die Zeit, wo dein Körper Kohlenhydrate am meisten braucht, ist die Zeit um das Training herum. Im restlichen Tagesverlauf und an trainingsfreien Tagen könntest du theoretisch ganz auf sie verzichten. Alle Energie, die du dann benötigst, kann der Körper auch aus Fett und Nahrungs-Eiweiß ziehen.

Um etwaige katabole Phasen zu unterbrechen, würde ich dennoch empfehlen, auch an trainingsfreien Tagen wenigstens geringe Mengen Kohlenhydrate zu essen. Meist sind Mengen in der Größenordnung eines Apfels (pro Mahlzeit) dafür schon ausreichend. Zudem ist es im Alltag einfach praktikabler, nicht komplett auf Kohlenhydrate zu verzichten. Würdest du zwischenzeitlich komplett auf sie verzichten, würden einfach zu viele Lebensmittel wegfallen und das würde die Lebensmittelauswahl unnötig kompliziert machen. Bei geringer Kohlenhydratzufuhr kommen die negativen Aspekte der Kohlenhydrate nicht zum Tragen.

 

Die Richtige Nährstoffrelation für den Muskelaufbau

 

Trainingstage

An Trainingstagen sollte ein gutes Drittel deiner aufgenommenen Nahrungsenergie aus Kohlenhydraten bestehen. Fett und Eiweiß sollten jeweils etwa ein knappes Drittel ausmachen. Ein Großteil der Kohlenhydrate wird an Trainingstagen auf die Mahlzeiten vor und nach dem Training verlagert, wobei vor dem Training langsame und mittelschnelle Kohlenhydrate bevorzugt werden sollten, nach dem Training dagegen schnelle. Je weiter eine Mahlzeit zeitlich vom Training entfernt ist, umso weniger Kohlenhydrate sollte sie enthalten. Mit der Fettzufuhr sollte es sich dagegen genau umgekehrt verhalten: Um das Training herum möglichst wenig, oder wenn möglich, gar kein Fett.

Trainingsfreie Tage

An trainingsfreien Tagen kannst du die kohlenhydratzufuhr herunterschrauben und die Eiweiß- und Fettzufuhr entsprechend hochschrauben. Für die Kohlenhydratmenge an trainingsfreien Tagen gebe ich keine steife Vorgabe. Das kannst du je nach Gefühl und individueller Vorliebe handhaben. Es kann auch von Tag zu Tag variieren, je nachdem, wie du es gerade in deinen Alltag integrieren kannst. Die Kohlenhydratmenge sollte sich allerdings irgendwo zwischen 10% (wird in der Regel schon durch Gemüse erreicht) und maximal einem Drittel der Nahrungsenergie bewegen. An trainingsfreien Tagen, bzw. Mahlzeiten, die nicht unmittelbar aufs Training folgen, sollten langsame, notfalls auch mittelschnelle, Kohlenhydrate bevorzugt werden.

Ein starker Vorteil dieser Ernährungsform ist, dass du auf kohlenydratlastige Lebensmittel, die du vielleicht gern isst, nicht zu verzichten brauchst. Selbst Lebensmittel mit schnellen Kohlenhydraten, wie beispielsweise Nudelgerichte, Süßes oder zuckerhaltige Getränke sind erlaubt. Nach dem Training kannst du sie verzehren, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen. Ebenso sind fettige Speisen erlaubt. Lediglich die Kombination aus Fett und schnellen Kohlenhydraten sollte gemieden werden.

Es geht nicht um Verzicht, sondern um Timing.


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